Liebe Freunde,

ich sitze hier gerade zuhause in meinem Arbeitszimmer und kann den Blick von unserem Gradmesser einfach nicht abwenden.

Nicht gar, weil ich auf ein schöneres Wetter warte. Ich kann den Blick deshalb nicht abwenden, weil ein Gradmesser eines der ersten Instrumente war, mit dem ich verstanden habe, dass der Mensch sich seine Meinung nicht nur anhand irgendwelcher Zahlen oder Zeiger bilden kann, sondern seine Fähigkeit des logischen Denkens auch nutzen muss.

Zugespitzt formuliert: Wenn der Gradmesser heute anzeigt, dass es 20 Grad Celsius hat und ich aber sehe, dass die Schneeflocken vom Himmel fallen, dann muss ich feststellen, dass der Gradmesser nicht mehr richtig funktioniert.

Was sich hier so logisch und eindeutig anhört, scheint aber im Zeitalter der Digitalisierung oft nicht mehr zu funktionierten. Und das ist ein großes Problem, weil es uns auf Dauer abhängig macht.

Ich beobachte im Alltag sehr oft Situationen, die man mit der Überschrift „Real gegen Digital“ zusammenfassen kann. Die Menschen verlassen sich so oft blind auf digitale Anzeigen einer Maschine und manchmal scheint es so als wären Displays mit irgendwelchen Zahlen vertrauenswürdiger als Bücher.

Bestes Beispiel dafür ist der Skandal um die Commerzialbank Mattersburg, welcher vergangenes Jahr aufgeflogen ist. Die Drahtzieher haben ihre Kunden und die Revisoren jahrelang getäuscht. Hätte damals zu irgendeinem Zeitpunkt einmal jemand darauf bestanden, das scheinbar vorhandene Geld zumindest zu sehen zu bekommen, oder das Bargeld in die Hand zu bekommen, wäre dieser schmutzige Trick vielleicht schon viel früher aufgeflogen.

Mir graust es, wenn ich höre, dass irgendwelche Amateurimmobilienmakler Häuser und Objekte um horrende Summen ankaufen, die sie zuvor nie zu Sehen bekommen haben. Ob das was sie am Foto sehen nicht in Wirklichkeit eine „Pappendeckelhütte“ ist, wie man bei uns am Land sagt, oder nicht, das können die nicht wissen, wenn sie noch nie dort waren und noch nie das Mauerwerk berührt haben.

Bekannte von mir wissen, dass ich gerne meinen geliebten Unimog, Baujahr 1957, ausfahre. Diesen halte ich noch immer in Verwendung, hege und pflege ihn. Aber auch wenn die Tankanzeige meines Unimogs mir immer wieder beweisen will, dass der Tank noch voll ist, so lasse ich mich von ihr nicht täuschen oder in die Irre führen. Mein realer Hausverstand sagt mir dann, dass der Tank nach doch eigentlich schon bald leer sein müsste.

Man muss sich auch vor Augen führen, wie viele Meldungen es täglich von schwierigen Einsätzen der Bergrettung gibt, weil irgendwelche Amateur Bergsteiger sich auf waghalsige Touren machen und nicht mehr zurückfinden, weil der Handyakku leer und das digitale Navigationssystem somit auch weg ist.

Für mich steht fest- egal wie intensiv wir das Zeitalter der Digitalisierung durchleben und welch großartigen Fortschritt und Effizienz uns die neuen Technologien bescheren. Nur das was man sieht und was greifbar ist, gibt es tatsächlich. Deshalb besiegt das Reale im Zweifelsfall immer das Digitale.

Macht euch nicht abhängig von irgendwelchen technischen Geräten,

Euer Stephan