Als erste Fernsehwettermoderatorin Österreichs wurde Christa Kummer landesweit einem Millionenpublikum bekannt. Die ausgebildete Klimatologin, Hydrogeologin und Theologin lebt in beiden Räumen: in der Stadt Wien und im ländlichen Waldviertel. Christas Motto „Fit for future“ hat mich begeistert. Wir können unseren Lebensstil ändern – nicht als Verzicht, sondern als Bereicherung!
„Nichts hemmt uns mehr als die Angst vor Veränderung!“
Pernkopf: Was mich bei Dir sofort fasziniert hat, ist Deine Ausbildung. Hydrogeologin, Klimatologin und Theologin, wie kam es dazu?
Kummer: Ja, das ist schon eine interessante Kombination. Die Naturwissenschaft versucht die Naturgesetze zu erklären. Und dort, wo ich mit Naturwissenschaft nicht mehr weiterkomme, dort beginnt bei mir die Theologie – die metaphysische Dimension des Seins. Die Verantwortung gegenüber der Schöpfung, der Umwelt und Menschheit ist die gemeinsame Klammer.
Pernkopf: Du hast ja gerade mit mir einen Schuhlöffel in der Werkstatt gemacht. Du hast Dir das Holz ausgesucht und Du wolltest einen langen Schuhlöffel haben, damit sich Dein Mann Franz nicht mehr so weit bücken muss.
Kummer: (lacht) Das ist recht lustig. Bei uns findet man überall im Haus bei den Eingangstüren Schuhlöffel. Da hängen schöne handgemachte Holzschuhlöffel, die mein Mann immer auf Christkindlmärkten kauft. Jetzt bekommt er einen handgefertigten mit Mostviertler Birnenholz aus Pernkopfs Werkstatt. Ein Unikat!
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Pernkopf: Ja die haben einen riesigen Spaß dabei. Aber das Lastenfahrrad ist nur ein Beispiel für eine kleine Lebensstiländerung. Wie bist Du zum Thema Lebensstiländerung gekommen? Du beschäftigst Dich ja intensiv mit dem Thema.
Kummer: Also die Geschichte zur Lebensstiländerung ist für mich ein Teil der Klimaveränderung. Ich beschäftige mich schon seit 35 Jahren mit dem Thema Klimawandel, doch die Problematik kann man nur durch ein weltweites Umdenken in allen Lebensbereichen schaffen. Auch jeder Einzelne kann in seinem Umfeld viel dazu beitragen – siehe Euer Lastenfahrrad – und wenn man die Kinder dabei sieht, kann man auch die Freude erkennen. Daher habe ich mich jetzt seit einem Jahr auch verstärkt auf sozialen Medien, Instagram, Facebook, Youtube, unter dem Motto „Fit for future“ positioniert. In der Rubrik „Christa fragt nach“ gehe ich direkt zu den Firmen und Experten und hole verschiedenste Meinungen ein. Großkonzerne und Meinungsbildner werden die großen Gestalter der Zukunft sein. Auch der soziale Aspekt in einer zukünftig veränderten Gesellschaft muss beleuchtet werden. Da habe ich viel vor. Ich möchte den Menschen zeigen, dass Lebensstiländerung nichts Negatives sein muss. Das ist das Dilemma: Alles, was in unserem Leben mit Veränderung zu tun hat, löst in uns ein mulmiges Gefühl in der Magengrube aus. Weil wir Gewohnheiten aufgeben müssen. Unser Leben läuft in vielen Bereichen völlig automatisiert ab. Aus dieser gewohnten Fahrspur herauszusteigen und plötzlich zu sagen: Ich geh einen neuen Weg, ich muss mir neue Verhaltensweisen aneignen – das löst bei vielen Menschen Angst aus. Und da ist jetzt der Punkt, wo ich ansetze: Lebensstiländerung kann Spaß machen, kann Freude machen und ganz im Gegenteil: Wir können aufgrund der digitalen Weiterentwicklung, die es in allen Sparten gibt, so viel Positives, Neues entdecken. Aber auch altes Wissen – Wissen unserer Vorfahren, kann gerade in der heutigen Zeit wieder etwas sehr Wertvolles sein: Entschleunigung, Leben im Einklang mit der Natur, all das ist vielerorts bereits in Vergessenheit geraten. Ich glaube, dass dieses „Muss“ einer Lebensstiländerung uns in manchen Bereichen wieder zurück zu alten Denkweisen führen kann und gleichzeitig eine Bereicherung in neuen technologischen Zeiten sein kann. Neue Wege zu gehen rechnet sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch: Als wir vor 17 Jahren im Waldviertel ein Haus gebaut haben, haben wir uns bewusst für eine Erdwärmeheizung entschieden. Die läuft heute problemlos und hat sich amortisiert. Und das Gefühl, mit der Wärme unserer Erde zu heizen, ist ein gutes. Wo gehobelt wird, da fallen Späne und Staub. Dass es ein System gibt, das Kälte in Wärme umwandeln kann und Wärme in Kälte, ist einfach und oft auch sehr kompliziert. Die Zukunft wird gerade am Heizungs- und Energiesektor unglaublich vieles hervorbringen, da bin ich überzeugt.
Pernkopf: Lebensstiländerung sollte Freude machen, sollte kein Verzicht sein. Das heißt, man sollte eigentlich auf zwei Prinzipien aufbauen: Vorausschauend handeln und nicht immer so kurzfristig denken. Fokussieren auf das, was längerfristig Sinn macht, und dabei auch Modelle anbieten und Förderung, um das auch finanziell zu unterstützen. Und das Zweite ist – und das ist ein wichtiger Punkt für mich: Wir müssen lernen, Dinge länger in Verwendung zu halten. Ich möchte Dir in meinem Haus auch zwei Sachen zeigen. Die Haustüre ist von meinem Elternhaus, sie stammt aus dem Jahre 1930 und ist vor zwei Jahren ausgebaut worden. Ich habe sie komplett renoviert. Das heißt, die Tür hat jetzt 90 Jahre gehalten und wird noch die nächsten 100 Jahre drinnen sein. Das ist eine sehr lange Verwendungsdauer. Ich hab’ mir heuer auch einen Erdkeller gemacht, ich gehe davon aus, dass ich bspw. im Sommer die Getränke dort habe und keine Kühlung brauche.
Kummer: Ja super und für Gemüse ist das auch ganz toll.
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Pernkopf: Der Arbeitstitel unseres Buches könnte lauten: „Metaversum und Hobelbank“. Das umfassend digitalisierte Leben und die analoge Alternative. Was denkst Du, brauchen wir mehr Augenmerk auf das künftige Paralleluniversum im virtuellen Bereich oder darauf, dass die Hobelbänke nicht vernachlässigt werden?
Kummer: Ich glaube, speziell unsere Jugend sollte wieder einmal zu einer Hobelbank gehen, vielleicht dabei das Handy weglegen, ganz bewusst, weil gerade unsere Jugend sehr intensiv in dieser digitalen Parallelwelt lebt. Wir haben vergessen, wie sich Erde anfühlt, wie sich Holz anfühlt, wir haben vergessen, wie Pflanzen und Tiere in „echt“ aussehen, weil wir alles nur noch am Handy abscrollen. Nicht umsonst hat unsere Jugend schon Daumenprobleme, Fingerprobleme, Arthritis, … ja, weil alle nur mehr ins Handy schauen und die Realität vergessen. Das Metaversum wird nicht aufzuhalten sein, derzeit wird auch schon geplant Schmerz und Empfindungen in diese nicht reale Welt zu implementieren, und gerade deshalb ist es umso wichtiger, wieder die Hobelbank als Symbol zu sehen, zu greifen und zu spüren, wie sich die Realität anfühlt. Das Problem des Metaversum wird der Mensch sein.
Pernkopf: Ich habe über Weihnachten ein paar Bücher gelesen und viel nachgedacht. Was glaubst Du, wenn ein Kind in die heutige Zeit hineingeboren wird, was wird es aus Deiner Sicht erwarten?
Kummer: Die Klimaveränderung ist ein Prozess, der einfach nicht aufzuhalten ist. Wir werden das 1,5 Grad Ziel nicht erreichen. Das braucht man nicht schönreden. Ich glaube, wir können jetzt nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Und da wären wir jetzt wieder bei der Lebensstiländerung. Es wird sich in unserem Leben in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren vieles ändern, was wir uns vielleicht heute noch gar nicht vorstellen können, was dörfliches Leben, Wohnen, Mobilität, Konsum, Energie und vieles mehr betrifft. Es wird eine umfassende Wende geben MÜSSEN! Ein weiterer Punkt, der sehr oft thematisch umschifft wird, ist das Bevölkerungswachstum. Bald sind es 9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten, die Bedürfnisse haben. Ob das unsere Erde noch schafft, ist eine der großen Zukunftsfragen. Gerade beim Thema Wohnen wird es spannend. Das Zauberwort der Zukunft: verdichteter Wohnraum. Das heißt, auf möglichst kleinem Raum, möglichst viele Wohnungen schaffen.
Oder kehren wir vielleicht wieder zum Mehrgenerationenhaus zurück: Alt lernt von jung und umgekehrt? In den 70er/80er Jahren hat es ja die große Landflucht gegeben, die großen Bauernhöfe sind plötzlich allein dagestanden. Viel Wohnraum für wenig Leute und jetzt wird es sich irgendwann mal nicht mehr ausgehen. Auch in Österreich haben wir mittlerweile 9 Mio. Einwohner.
Die Pandemie und auch der Ukrainekrieg zeigen uns, wie wichtig Autarkie im Lebensmittel- und Energiebereich ist. Hören wir damit auf, unsere landwirtschaftlichen Nutzflächen zu verbrauchen – immerhin schaffen wir immer noch täglich 11,5 ha. Achten wir darauf, was auf unserem Teller liegt. Da wäre ich jetzt wieder beim Wert der Dinge – eben jetzt beim Wert des Essens! Es ist nicht egal was ich esse und woher es kommt. Hier wünsche ich mir noch mehr Bewusstsein.
Unsere Kinder, die in dieser schwierigen Zeit groß werden, wie Deine Kinder, die werden mit einem ganz anderen Denken in die Zukunft gehen. Die Klimaveränderung, Pandemie und Krieg in Europa zwingen uns, unsere Verhaltensweisen zu verändern. Auch die Natur zwingt uns dazu. Wir werden vom Wetter eigentlich „hergwatscht“. Zu jeder Jahreszeit bekommen wir es schmerzhaft zu spüren. Und wir kapieren es immer noch nicht, dass es in vielen Bereichen bereits 5 nach 12 ist.
Beim Thema Bodenversiegelung zum Beispiel, ist die Politik jetzt gefordert rasch zu handeln. Aber unsere Kinder werden ganz massiv darauf stoßen, weil wir trotz aller Warnsignale in unserem Handeln viel zu langsam sind.
Pernkopf: Letzte Frage: Wenn Du zwei große Entscheidungen hättest: Was soll bleiben, was brauchen wir in der Zukunft und was soll sich ändern?
Kummer: Ganz brutal würde ich sagen: Die Erde der Zukunft braucht uns Menschen nicht. Das klingt brutal, aber die Natur kann sich selbst regulieren. Die Leidtragenden sind wir Menschen und dennoch zerstören wir uns selbst mit sinnlosen Kriegen und unfassbarer Ausbeutung unserer „Mutter Erde“. Der Mensch muss lernen, sich wieder ein zurückzunehmen und das Wesentliche erkennen. Wir sind als hochintelligente Art ziemlich sanierungsbedürftig.
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