Warum die frühere Bauern- und Landgesellschaften heute als Pilotprojekte durchgehen könnten.
Als die Bevölkerung sesshaft wurde und sich mit ihr auch die ersten Siedlungen und Dörfer entwickelten, wussten die damaligen Bauerngesellschaften schon lange, was heute immer wieder neu erklärt werden muss. Es gibt keinen Planeten B und mit jedem Eingriff in die Umwelt, findet auch eine Veränderung der Umwelt statt. Essentiell dabei: Nicht jede Umweltveränderung bedeutet Umweltzerstörung. Ein heute komplexes Thema, ganz einfach und logisch erklärt.
Das gesamte Wirtschaften und Leben von Landgesellschaften baut auf dem Fundament der ökologisch instabilen Kulturlandschaft auf. Die zentrale kulturelle Herausforderung bestand auch damals darin, Wissen um die Notwendigkeit der permanenten, ökologischen Stabilisierung der Kulturlandschaften präsent zu halten und die Verantwortung dafür bei allen Menschen immer wieder neu zu festigen und zu stärken. Im Grunde das selbe Ziel, das die heutige „Fridays for future“- Bewegung verfolgt.
Eine zentrale Maßnahme war es, immer Gruppen von Menschen zu bilden, um solche kulturellen Herausforderungen bewältigen zu können. Die Menschen wussten, dass eine einzelne Person nicht in der Lage ist, Landwirtschaft zu betreiben und die Kulturlandschaft zu stabilisieren. Diese Gruppen oder Dorfgemeinschaften aus kleinen benachbarten Siedlungen sind gemeinsam für die Stabilisierung der von ihnen genutzten Kulturlandschaft verantwortlich. Deshalb entwickeln sie für ihre erfolgreiche Zusammenarbeit bestimmte kulturelle Normen.
1. Vorsicht im Umgang mit der Natur
Eine konservative und vorsichtige Grundhaltung in Bezug auf die Natur steht an der Tagesordnung. Neuerungen und Nutzungsänderungen in der Natur werden schon damals in der Regel zuerst für längere Zeit nur auf kleinen Flächen erprobt. Wenn sich diese bewähren, werden sie vorsichtig Stück für Stück ausgeweitet. Heute laufen solche Projekte unter dem Titel „Feldversuche“, der ja genau diese Wortbedeutung in sich hat.
2. Langfristigkeit
Bauerngesellschaften denken und handeln langfristig. Sie wissen, dass ihre gegenwärtige Situation vollständig auf der Arbeit der vorhergegangenen Bauerngeneration aufbaut und profitiert. Das heißt, sie beziehen die vorausgegangenen und nachfolgenden Generationen mit ein und sehen sich selbst nur als Glied in einer langen Kette bäuerlicher Existenzen, das nicht das Recht hat aus der Kette herauszutreten- die Tradition ist Existenzgrundlage und Verpflichtung. Im Prinzip genau das, was der heute oft so fälschlich verwendete Begriff „Nachhaltigkeit“, darstellt.
3. Bevölkerungsregulierung
Wenn die Zahl der Menschen in einem Dorf zu schnell wächst, dann birgt dies die Gefahr, dass die zur Verfügung stehenden Flächen übernutzt werden. Dazu gibt es zwei alternativen: Zusätzliche Flächen erschließen oder Auswanderung in andere Regionen. Wenn diese Alternativen aber nicht genutzt werden können, dann müssen Maßnahmen zur Bevölkerungsregulierung getroffen werden. Die laufende Erschließung von Bauland rund um die großen Städte zeigt beispielsweise, dass das "Auswandern in der Stadt" nachgefragter ist, als man meinen möchte. Dass diese Entwicklung irgendwann an einen Punkt kommen wird, an dem keine zusätzlichen Flächen erschlossen werden können ist absehbar und nur eine Frage der Zeit.
4. Gemeinschaft hat Stellenwert
Basis sind nicht Einzelpersonen, sondern Gruppen deren Ziel es ist, das eigene Leben bzw. Überleben zu sichern. Das bedeutet nicht, dass das Verhältnis innerhalb und zwischen einzelnen Gruppen konfliktfrei ist. Entscheidend ist aber, dass in allen Krisen-, Not- und Unglücksfällen der Erhalt des Hauses, des Hofes, oder des Dorfes über den Interessen der Einzelnen steht. Im Konfliktfall muss der Einzelne seine persönlichen Interessen, den Interessen seiner Gruppe unterordnen, oder er muss das Dorf verlassen. Die heute zunehmend egoistischer erzogene Gesellschaft wirkt der ganzen Klimapolitik also nicht gerade positiv entgegen.
5. Allmenden
Weiter vom Dorf entfernte, weniger ertragreiche Flächen, werden gemeinschaftlich genutzt. Das ist meist effizienter als eine familiäre Nutzung. Damit sich dabei keine Familie zu Lasten der Gemeinschaft einen Vorteil verschafft, gibt es für die Allmendennutzung überall feste Regeln, deren Einhaltung genau überprüft wird und die eine mögliche Übernutzung verhindert. Was hätten die früheren Bauerngesellschaften wohl gemacht, hätte Rene´ Benko schon damals halb Brasilien zu Lasten der Gemeinschaft für sein Eigenwohl genutzt?
Durch die Einhaltung dieser gemeinsamen Normen und Werte gelingt das, wovon die „Fridays for future“-Bewegungen heute wieder nur träumen können: Die Gesellschaft verändert die vorgefundenen Natur zwar tiefgreifend, zerstört dabei aber nicht, weil es ihnen gelingt die Kulturlandschaft permanent zu stabilisieren.
Bauern – und Landgesellschaften wissen um die von ihnen verursachten Umweltveränderungen und sie fühlen sich dafür verantwortlich, dass die Folgen die daraus erwachsen, keine zerstörerische Wirkung entfalten, weil das ihre Lebensgrundlage zerstören würde. Also nur Mut, die Gesellschaft entwickelt sich wieder in die richtige Richtung- zurück zu den Normen und Werten, die galten, bevor die Globalisierung begann unseren Planeten zu zerstören und die zum Großteil auch heute noch bei den Menschen am Land gelten.
Die Inhalte erarbeitete Prof. Dr. Werner Bätzing in seinem Buch "Das Landleben".