Emobilität im ländlichen Raum - EMIL
Im Gespräch mit Ulrich Gruber zum Projekt EMIL
Eine besondere Idee zum Ausbau des Regionalverkehr mit viel Mehrwert
Einfach und ökologisch unterwegs sein. Das lässt sich vielleicht in Wien einfach machen, aber selten am Land. Konkrete Pilotprojekte zeigen aber, wie mit innovativen Ideen auch dieses ziel einfach erreicht werden kann. Wir haben in Neuhofen and der Ybbs vorbeigeschaut und uns angesehen was „Emil – Elektromobilität im ländlichen Raum“ so alles kann.
Kern: Der Titel, Elektromobilität im LR- der kommt ja nicht von irgendwo. Würden Sie Neuhofen an der Ybbs, als Gemeinde im ländlichen Raum bezeichnen?
Gruber: Ganz klar- ja. Neuhofen ist mittlerweile eine recht bevölkerungsstarke Gemeinde. Die meisten unserer Gemeindebürger arbeiten zwar in größeren Industriebetrieben in den umliegenden Gemeinden oder bei Arbeitgebern in Amstetten, aber sie leben und wohnen in Neuhofen. In den letzten Jahren kehrte sich der Trend von der Land- zur Stadtflucht, was Zuzug und „Dableiben“ von jungen Familien für uns als Gemeinde im ländlichen Raum bedeutet. Nicht zuletzt auch deshalb, weil mittlerweile die Hauptverkehrsader Linz- St.Pölten- Wien öffentlich gut ausgebaut und das tägliche Pendeln von Neuhofen in die großen Städte zumindest organisierbar ist.
Kern: Richtet sich das Angebot und die Fahrzeiten des EMIL also gezielt nach diesen „Berufspendlern“?
Gruber: Nein, definitiv nicht. Die Berufspendler nutzen diesen Dienst eigentlich gar nicht. Wir haben uns als Verein auch bewusst nicht darauf ausgerichtet. Wir können und wollen diese Nachfrage gar nicht decken. Der EMIL ist dazu da, um den Regionalverkehr innerhalb der Gemeinde zu stärken. Die Gäste des EMIL sind oft ältere Menschen, die vormittags zum Hausarzt müssen und nicht von Familienmitgliedern chauffiert werden können. Oder aber auch jüngere Menschen, die aufgrund irgendeiner Behinderung oder weil sie noch keinen Führerschein besitzen, imobil sind. Dieses Projekt hat schon vom Grundsatz her einen sehr sozialen Zugang.
Der gemeinschaftliche Fahrtendienst ist ja praktisch der revolutionierte Gemeindebus. Der e-Fahrtendienst ist als gemeinnütziger Verein organisiert und erbringt die ehrenamtlichen Fahrtendienste ausschließlich für Mitglieder. Das bedeutet, dass die Nachfrage und das Angebot jederzeit vorhersehbar und gut koordinierbar sind. Wir nützen dadurch das volle ökologische Potential, weil wir Einzelfahrten mit dem PKW einsparen und dazu sogar noch den erneuerbaren Ökostrom nutzen können. Man muss bedenken, dass wir der Verein in Neuhofen sind, der gleich nach der Freiwilligen Feuerwehr die meisten Einsatzstunden leistet. Nebenbei wollen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern zeigen, welch großartigen Fahrkomfort so ein Elektroauto bietet und als Vorbild wirken. Man muss sich mal diese Zahl auf der Zunge zergehen lassen: Private PKW werden im Regelfall 22 bis 23 Stunden pro Tag nicht benützt- ich sag´ immer die meisten Autos sind ja schon mehr „Steh-zeug“ als „Fahrzeug“. Also ja, auch am Land kann das Elektroauto als Erstauto dienen.
Kern: Sie haben es bereits angesprochen, der gemeinschaftlicher Fahrtendienst ist in Form eines Vereins organisiert wird und baut auf dem ehrenamtlichen Engagement der Bürger auf. Macht ihnen das nicht Sorge, dass sich vielleicht mal jemand „nicht finden wird“.
Gruber: Im Gegenteil. Was wir bemerken ist, dass sich sogar Personen beteiligen, die bisher stark vom Gemeindeleben ausgeschlossen oder in der Mobilität eingeschränkt waren. In Wirklichkeit verbindet der EMIL nicht nur Orte sondern auch Menschen. Vor allem ältere Menschen erfreuen sich auch an dem Angebot. Denn die mussten für die absolut notwendigen Fahrten, wie Einkaufen oder Arztbesuche, oft als Bittsteller in der Verwandtschaft oder bei den Nachbarn fragen. Mit EMIL kann man auch an objektiv nicht unbedingt nötigen, aber für einen selbst wichtigen Aktivitäten wieder teilhaben. Für die wöchentliche Wirtshausrunde oder auch den Freundschaftsbesuch fragen viele unserer Bürger nicht mehr die Nachbarn, sondern lassen sich einfach vom Fahrtendienst bequem abholen. Das Projekt ist eine Bereicherung für unsere Gemeindebürger.
Kern: Gibt es Tipps, die Sie anderen Gemeinden bei der Organisation von gemeinschaftlichen Fahrtendiensten mit auf den Weg geben würden?
Gruber: Ja, einfach nicht zögern. Die Machbarkeit ist gegeben und durch die Pandemie ist die Notwendigkeit noch viel mehr gegeben. Auch aus der Sicht heraus, dass die Menschen nun offener für Neues sind, und sie haben gespürt wie wichtig ehrenamtliches Engagement und ein Miteinander in der Gemeinde ist. Dadurch, dass in diesen Autos Personen und Generationen zusammenkommen, die nicht immer die gleichen sind, steigt das Verständnis füreinander.
Herzlichen Dank für das Gespräch
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