Was verbindet eine gute Ortsentwicklung mit sparsamen Bodenverbrauch?
Boden ist die Grundlage unseres Lebens — und eine begrenzte Ressource
Wir wissen das und dennoch gehen in Österreich laut Umweltbundesamt, das den Mittelwert der vergangenen drei Jahre berücksichtigt, täglich durchschnittlich 11,3 Hektar und somit rund 16 Fußballfelder an biologisch produktivem Boden verloren. Dieser Verbrauch ist mehr als viermal höher als das offizielle Nachhaltigkeitsziel. Nicht zuletzt aufgrund der zugespitzten Klimasituation und einem erforderlichen Umweltschutz braucht es hier dringend ein Umdenken und vor allem ein Umlenken. Mancherorts haben engagierte Menschen bereits damit begonnen und gehen mit gutem Beispiel voran.
Der Verein LandLuft zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen vergibt alle 4-5 Jahre den Baukulturgemeinde-Preis, mit dem herausragende Gemeinden in ganz Österreich prämiert und jene Personen vor den Vorhang geholt werden, die sich am Land, in Dörfern und Kleinstädten für gute Baukultur engagieren. Einer der Leitgedanken ist hierbei: Gute Baukultur schafft lebenswerte Orte. Zuletzt (2021) wurde der Preis unter dem Motto „Boden g’scheit nutzen!“ vergeben und der Fokus damit auf einen innovativen Umgang mit dieser kostbaren Ressource gelenkt. Kriterien waren mitunter aktive Bodenpolitik, Ortskernstärkung und der Umgang mit Leerstand. Für seinen Dokumentarfilm STADT-LAND-BODEN besucht Filmemacher Robert Schabus sieben Gemeinden, die diesbezüglich positive Beispiele aufweisen, darunter auch die ausgezeichneten Baukulturgemeinden. Am Kulturmontag dieser Woche wurde dieser Film im ORF gezeigt.
Film Stadt.Land.Boden
Er trifft dabei Akteure aus Verwaltung und Politik und Bürger*innen, die ihr Lebensumfeld auf unterschiedliche Art und Weise aktiv mitgestalten. Es ist eine Reise quer durch Österreich, die uns nach Feldkirch, Göfis, Mödling, Moosburg, Oberdrauburg, Thalgau und Trofaiach führt und bei der die Menschen im Mittelpunkt stehen.
In der Marktgemeinde Moosburg in Kärnten geht es darum, wie die Stärkung des Zentrums gelingen und wie ein vorbildlicher Bildungscampus aussehen kann. In der dazugehörigen Ortschaft Tigring befindet sich ein Positivbeispiel für sozialen Wohnraum, geplant von Architektin Eva Rubin. Sie spricht über notwendige Abwägungen und den Einfluss von Architektur auf das soziale Leben.
Wie sehr sich Flächennutzung auf das soziale Leben auswirkt, wird auch in Thalgau im Salzburger Flachgau deutlich. „Der Platz schafft Gemeinschaft“ hören wir hier. Gemeint ist ein Kirchenvorplatz, auf dem nun Wochenmärkte und Veranstaltungen stattfinden, auf dem sich „Leben abspielt, das vorher nicht da war.“ Was dafür nötig war und wie Partizipationsprozesse zu Akzeptanz und Identifikation mit dem Lebensumfeld beitragen, erfahren wir hier.
Um über Flächen verfügen und darauf eine zukunftsfähige Stadtentwicklung umsetzen zu können, bedarf es einer strengen Widmungspolitik. Das hat in Feldkirch in Vorarlberg bereits eine lange Tradition. Hier bemüht man sich auch aktiv um Rückwidmungen von Bauland. Denn auch der Verzicht auf Bebauung und damit einhergehend der Verzicht auf das Geld für attraktiven Baugrund leistet einen wichtigen Beitrag zur Stadtentwicklung, so Stadtbaumeister Gabor Mödlagl.
Mödling, nahe der Wiener Stadtgrenze gelegen, setzt gezielt Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen im öffentlichen Raum. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Stadtbäume. Mödling ist die erste „Schwammstadt“ Niederösterreichs. Was das bedeutet, veranschaulicht Landschaftsarchitekt Daniel Zimmermann.
Um die hohe Lebensqualität und die attraktive Altstadt zu erhalten, profitiert Mödling von einem unabhängigen Gestaltungsbeirat für Bauangelegenheiten. Mitglied Susanne Veit-Aschenbrenner erzählt, warum die Gesamtheit mehr ist, als die Summe ihrer Einzelteile.
Um die Vorteile eines Gestaltungsbeirates wissen auch der Bürgermeister und die Bewohnerinnen des vorarlbergeschen Göfis. Hier wird Bürgerinnenbeteiligung sichtbar gelebt.
Die Gemeinderätin Caroline Terzer berichtet vom gegenseitigen Befruchten zwischen Gemeindepolitik und aktiven Bürger*innen. Und es wird deutlich, dass es und warum es hier funktioniert.
Damit es funktioniert, braucht es Menschen, die sich kümmern. Und solche, die bereit sind, Gegenwind auszuhalten, um langfristig eine Verbesserung zu bewirken. Solche trifft Schabus auch in Trofaiach in der Steiermark. Um Problemen wie Leerstand und Zentrumssterben entgegenzuwirken, wurde hier ein erfolgreicher Transformationsprozess in Gang gesetzt. Um gemeinsam zu überlegen, wie der aussehen soll, wurden zunächst auch positive Vorbilder besucht.
Am Ende der Reise kehren wir zurück nach Kärnten/Koroška, wo in Oberdrauburg 2023 mit Unterstützung des Landes das sogenannte „Drauforum“ entsteht. Es handelt sich hierbei um die Überbauung eines Supermarktes, wo ein Raum geschaffen wird, der verschiedenen Vereinen aus den umliegenden Gemeinden ein Zuhause bietet. Der Weg von einer Mono- hin zu einer sinnvollen, gemeinschaftlichen Mehrfachnutzung ist einer der Aspekte, die uns unterwegs auch in anderen vorbildlichen Orten begegnen.
Jeder Ort hat seine individuellen Herausforderungen. Patentrezepte gibt es nicht.
Es geht überall um einen verantwortungsvollen, zukunftstauglichen Umgang mit den wenigen Flächen, die uns noch zur Verfügung stehen.
Deutlich wird: Baukultur betrifft uns alle. Reden wir über Grund und Boden.
Schließlich ist es nichts weniger als die Basis unseres Zusammenlebens.