Alt werden am Land- der letzte Wille
Die berühmte Alterspyramide droht sich auf den Kopf zu stellen- auch bei der Bevölkerung am Land. Was viele nicht wissen ist, dass die Zahl alter Menschen in den Dörfern noch schneller ansteigt als in den Städten. Vielerorts macht sich diese Entwicklung erst jetzt bemerkbar, wo zusätzliche Faktoren wie der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal und wegbrechende familiäre Pflegepotentiale die Dramatik verstärken. Worauf muss man sich als angehender „Senior“ am Land also einstellen. Ist es überhaupt möglich, seinen letzten Lebensabend im Dorf zu verbringen? Wir meinen JA. Denn mit innovativen Projekten kann und MUSS hier schnell entgegen gewirkt werden. Denn wer sein ganzes Leben in einer ländlichen Umgebung verbracht hat, will da nicht mehr weg – auch nicht im hohen Alter. Und zum „Dableiben“ hat wohl jeder ein Recht.
Wohnen auf dem Land kurz und prägnant zusammengefasst. Die Menschen fühlen sich hier wohl, fühlen sich sicher und geborgen – solange alles wie gewohnt funktioniert.
Und wie das Leben so spielt, kann es auch passieren, dass das alles nicht mehr funktioniert wie gewohnt. Wer bietet Hilfe im Alltag, wenn die Kräfte nachlassen? Wie legt man kurze Strecken zum Supermarkt oder zum Arzt zurück, ohne eigenem Auto? Wenn Haus- und Gartenarbeit überfordern, es aber keine kleineren Wohnungen im Ort gibt? Wenn ein Schlaganfall oder eine schwere Erkrankung einen zum Pflegefall machen? Dann scheint einem das Leben und Überleben wohl auf den ersten Blick anstrengend. Doch mit viel persönlichem Engagement und Management lassen sich auch diese Hürden überwinden.
Auf bestehendem Aufbauen
Ein bereits gut erprobtes System der Gesundheitsversorgung ist die mobile Pflege, auch Hauskrankenpflege genannt. Sie wird von zahlreichen Institutionen angeboten und ermöglicht den Patienten einen selbstbestimmten Verbleib in der gewohnten Umgebung - trotz veränderter Lebensumstände aufgrund von Krankheit, Behinderung oder altersbedingten Bedürfnissen. Oft wirkt sich diese Art der Pflege auch positiv auf die Genesung des Patienten aus, denn zusätzlicher psychischer Stress ist vermeidbar. Sie leben weiterhin in ihrer vertrauten Umgebung und müssen auf gewohnte Kontakte mit Familie, Nachbarn und Freunden nicht verzichten.
Wer dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen kann oder möchte, der kann zumindest jene Einrichtungen nutzen, die gut strukturierte Orte und Gemeinden am Land automatisch so mit sich bringen.
Sie haben den Vorteil, dass noch Einrichtungen in unmittelbarer Nähe sind, wie Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, eine aktive Kirchengemeinde, Kindergärten und Schulen, Ärzte, Lebensmittelgeschäfte, lebendige Vereine und engagierte BürgerInnen. Wichtig für die EntscheidungsträgerInnen solcher Gemeinden ist es, darauf zu achten, dem demographischen Wandel Einhalt zu gebieten. Sprich, gibt es junge Familien im Ort, können diese Institutionen weiter erhalten bleiben und den Älteren unter die Arme greifen. Fehlt der Zuzug, werden zunehmend auch in solchen Orten, Menschen die Hilfe benötigen, abwandern müssen.
Mut und Durchhaltevermögen
Für all jene die im Alter nicht nur „Überleben“, sondern auch „gut leben“ wollen sind alle diese Angebote aber noch nicht das Ende der Fahnenstangen. Denn auch im Bereich der Pflegeeinrichtungen entwickeln sich dort wo Mut und Durchhaltevermögen bewiesen werden, zahlreiche innovative Projekte. Beispielsweise spezialisieren sich „Greencarebetriebe“ auf die Pflege von Behinderten oder aber auch alten Menschen. Solche Betriebe sind jedenfalls immer im ländlichen Raum stationiert und pflegen Ihre Patienten oft auf einem aktiv bewirtschafteten Bauernhof. Das führt nicht nur dazu, dass Patienten von den positiven Effekten durch eine natürliche Umgebung profitieren, sondern ermöglicht es täglich neue Dinge auszuprobieren und mehr Freiheit zu erlangen, als in einem strikt organisiertem städtlichen Pflegeheim.
Etwas unkonventionell und kreativ ist auch die Idee des Generationenwohnen. Hier steht der Zusammenhalt der Generationen und bürgerschaftliches Engagement im Mittelpunkt. Alte Leute sollen von den jungen im Alltag bei Einkäufen, Arztbesuchen, usw.. unterstützt werden, wohingegen die jungen z.B von den älteren Damen täglich frisch bekocht werden. Alle Altersgruppen, auch Familien und Studenten finden in solchen Projekten Platz.
Eine aktive Bürgerschaft stabilisiert die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen im Dorf
Das Geheimrezept für ein langes, erfülltes Leben am Land kocht also nicht die Politik. Denn natürlich müssen mehr Ausbildungsplätze für Arzt- und Pflegepersonal geschaffen werden, und natürlich müssen öffentliche Verkehrswege im Regionalverkehr ausgebaut werden. Doch die schnellste und langfristigste Maßnahme ist das ehrenamtlichem Engagement der Bürger. Nachbarschaftshilfe wie sie jetzt in den Zeiten der Pandemie geschaffen wurde, die sind das Geheimrezept.
Es ist durchaus möglich, im hohen Alter seinen Lebensabend in der dörflichen Umgebung zu leben.
Der demografische Niedergang wird nur dort nicht aufzuhalten sein, wo kein Gemeinschaftsgefühl entsteht und wo keine Innovation stattfindet.