Baukultur in Österreich
— Gebäude und Freiräume gestalten unsere funktionierenden Dörfer und Städte. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Architektur und Freiraumgestaltung einen bedeutenden Beitrag zu unser aller Lebensqualität leisten, weil sie Stadt und Land funktional, angenehm, dauerhaft und schön machen. Das geht aber nicht von selbst, sondern braucht Menschen, die etwas gegen die Probleme, die durch die allgemein, gesellschaftlich geringen Ansprüchen an die Landschaftsplanung entstehen, unternehmen. Die Lösungen für diese Probleme kann nur eine gelungene Baukultur bieten. Für öffentliche Räume mit Aufenthaltsqualität; für Dörfer und Städte, die für Fußgänger und Radfahrer gestaltet sind; gegen Gewerbegebiete und Einfamilienhausteppiche auf der grünen Wiese; und für lebendige Ortskerne.

Das Problem

Städte und Dörfer haben heute oft deshalb ein Problem, weil sie sich in der Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu sehr darauf verlassen haben, dass die Abhängigkeit der Bürger vom Auto stetig wachsen wird. Das bedingt, dass Gewerbe, Handel und Gastronomie zunehmend an den Ortsrand gedrängt werden. Gewerbegebiete wurden so verlagert, dass man sie nur mehr per Auto erreichen kann. Die Orts- und Stadtkerne sterben deshalb aus. Parallel dazu wird auch das Wohnen immer mehr an den Stadtrand verlagert und dadurch wieder autoabhängig. Denn durch die enormen Kosten bei der Sanierung oder beim Abriss alter Gebäude in den Ortskernen, ist es für viele Jungfamilien leistbarer und vor allem besser planbar, sich das Einfamilienhaus auf die grüne Wiese zu stellen. Auch wenn die massive Teuerung bei Grundstückspreisen und Baumaterialien diesem Trend in den nächsten Jahren entgegenhalten wird, so muss man klar sagen, dass dieser Trend zumindest in den vergangenen Jahren stetig wuchs. Einerseits entsteht so immer mehr Verkehr, andererseits verödet das Zentrum.

Ein großes Problem ist oftmals auch, dass der Qualität von Architektur und Freiräumen zu wenig Beachtung geschenkt wird: Wenn in großen und kleinen Städten, Dörfern und Siedlungen die Gebäude und Freiräume schlecht gestaltet sind, ist das nicht nur ein ästhetisches Thema.

Schlechte Architektur und Freiraumgestaltung bedeuten funktionale Mängel, die Benützung der Gebäude und Freiräume ist schwierig, unübersichtlich, und macht den Alltag komplizierter.

Die Folgen sind über die nächsten Jahrzehnte spürbar und bedeuten schlechte Lebensqualität. Die Bürger ziehen sich in den Privatbereich zurück und verlieren soziale Kontakte.

Die Lösung

Politiker und engagierte Bevölkerung können sich für Qualität in Architektur und Freiraumgestaltung einsetzen: durch Gestaltungsbeiräte, Architekturwettbewerbe, Beteiligung und öffentliche Diskussion. Auch aber durch gute Planung beim Bau ihrer eigenen Einfamilienhäuser oder Sanierung verschiedener Wohnbauten.

Gute Baukultur …

… ist nachhaltig: Sie sucht den Ausgleich zwischen sozialen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Zielsetzungen.

… ist schön: Sie berücksichtigt ästhetische Maßstäbe, die der Situation ange­messen sind.

… verbindet: Sie schafft Gebäude und Freiräume unter Einbeziehung von Nut­zerinnen und Nutzern sowie sonstigen betroffenen Personen, die ihr Wissen und ihre Interessen in transparenten Prozessen einbringen können und dies berücksichtigt wird.

… ist geschlechtergerecht: Sie berücksichtigt die Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern bei der Planung, Umsetzung und Evaluierung aller Konzepte, Projekte und Maßnahmen in gleicher Weise.

… schafft Identität: Indem sie gestalterisch und technisch hohe Ansprüche stellt, trägt sie positiv zum Selbstbild einer Gesellschaft bei. Sie ist aber auch solide gebaut und tragfähig, bleibt positiv in Erinnerung und bietet somit ein Angebot für die Identifikation mit Städten, Orten und Landschaften.

… ist zweckmäßig: Sie führt zu Lösungen, die bedarfsgerecht und wirtschaftlich in Errichtung und Gebrauch sind.

… ist ressourcenschonend: Sie geht maßvoll mit der Landschaft und dem Boden, mit bestehenden Gebäuden, mit Energie und Rohstoffen um.

… ist hochwertig: Sie ist sorgfältig bis ins Detail geplant und professionell ausgeführt.

… ist anpassungsfähig: Sie reagiert robust auf technologische, ökologische, ökono­mische und soziale Veränderungen und beachtet die Diversität unserer Gesellschaft.

… ist gesundheitsfördernd: Sie gestaltet Gebäude und Freiräume auf Grundlage des aktuellen Kenntnisstandes zu Hygiene, Gesundheit und Komfort

Grundlagen für Baukultur schaffen

Die wichtigste Maßnahme, um die Attraktivität von Orts- und Stadtkernen zu steigern, ist eine Qualitätsbindung von öffentlichen Mitteln: Bedarfszuweisungen, Wirtschaftsförderungen, Wohnbauförderungen sollen dann fließen, wenn die damit finanzierten Projekte die Kerne stärken und nicht in die Fläche ausufern. Dazu zählen auch eine qualitätsorientierte Baukulturförderung für Städte und Gemeinden und die Förderung von Forschung zum Thema. Außerdem braucht es lokalpolitische Unterstützung, ideell und finanziell, für die Einrichtung von Beiräten, für die Durchführung von Wettbewerben und Beteiligung, für Sanierungen und Ortskernaufwertungen. Für die örtliche Raumplanung sind Rahmenvorgaben nötig, die eine flächenfressende Widmung verunmöglichen, Widmungen im Außenbereich müssen verhindert werden. Zusätzlich soll die Landes- und Bundespolitik öffentlichen Verkehr und Rad- und Fußgängerverkehr fördern.